Republik Deutschösterreich
Am 12. November 1918 wurde von einer provisorischen Nationalversammlung die Republik Deutschösterreich ausgerufen, als deren erster Kanzler Karl Renner (siehe Abbildung) bestimmt wurde. Als Staatsgebiet wurden neben dem Gebiet des heutigen Österreich (außer dem Burgenland) noch Südtirol sowie Teile der Tschechoslowakei, Polens und des Königreichs Jugoslawien beansprucht. Wie die Bezeichnung „Deutschösterreich“ schon andeutet, sah ein im Rahmen der Staatsgründung gefasster Beschluss auch vor, den Staat in die deutsche Republik miteinzugliedern, was jedoch im Vertrag von Saint-Germain von den Siegermächten des ersten Weltkrieges durch das sogenannte Anschlussverbot verhindert wurde. Außerdem änderte die Nationalversammlung in Umsetzung der sonstigen Vertragsinhalte am 21. Oktober 1919 den Namen des jungen Staates auf „Republik Österreich“ ab.
Die zwei politisch wichtigsten Gruppierungen in Österreich (Sozialdemokraten und Christlich-Soziale) verfolgten aufgrund ihrer sehr unterschiedlichen Kräfteverhältnisse im städtischen und im ländlichen Raum unterschiedliche politische Ziele. Daher ist die 1920 in Kraft getretene Verfassung sowohl von zentralistischer als auch föderalistischer Prägung. Die Kompetenzen des Parlaments waren im Vergleich zum Staatsoberhaupt (dem Bundespräsidenten) sehr ausgeprägt gestaltet, erst in der Verfassungsnovelle von 1929 wurde dem Bundespräsidenten etwas mehr Bedeutung zugemessen.
Wien war zunächst ein Teil Niederösterreichs und wurde erst 1922 ein eigenständiges Bundesland, was einerseits auf die durch die unterschiedlichen Kräfteverhältnisse starken Spannungen zwischen der Großstadt Wien und dem ländlichen Bereich Niederösterreichs, andererseits auf die mit über drei Millionen Einwohnern bevölkerungsmäßige Dominanz den restlichen Bundesländern gegenüber zurückzuführen war. Südkärnten wurde aufgrund des relativ hohen slowenischen Bevölkerungsanteils vom Königreich Jugoslawien Ende 1918 besetzt, es folgten die Kärntner Abwehrkämpfe und 1920 eine (schon im Vertrag von Saint-Germain vorgesehene) Volksabstimmung, welche zum Ergebnis hatte, dass die fraglichen Gebiete bei Österreich verblieben. Außerdem wurde das Burgenland, welches die überwiegend deutschsprachig besiedelten Gebiete Westungarns umfasste, an die Republik Österreich angeschlossen.
Aufgrund der durch den ersten Weltkrieg erheblich in Mitleidenschaft gezogenen Wirtschaft und der herrschenden Hyperinflation wurde im Dezember 1924 die Österreichische Krone durch den Schilling ersetzt. Daraufhin erholte sich die Wirtschaft etwas, bevor mit der Weltwirtschaftskrise 1929 der nächste schwere Schlag erfolgte. Eine Folge daraus war, dass die Arbeitslosenquote in den Folgejahren bis über 25 Prozent anstieg.
Nach zwei Jahren einer großen Koalition regierten von 1920 - 1934 die Christlich-Sozialen in Österreich, die Sozialdemokraten bildeten die größte Oppositionspartei. Immer wieder kam es in dieser Zeit zu Demonstrationen und Zusammenstößen der paramilitärischen Einheiten dieser Blöcke, nämlich der Heimwehr und des Republikanischen Schutzbundes. Wichtige Vorfälle dieser Art ereigneten sich 1927, als zunächst eine Demonstration des Republikanischen Schutzbundes in Schattendorf im Burgenland mit Waffengewalt aufgelöst wurde und dabei 2 Menschen den Tod fanden, und daraufhin von Anhängern der Sozialdemokraten der Justizpalast in Wien gestürmt und in Brand gesetzt wurde. Die Polizei wurde angewiesen, auch diese Demonstration mit Waffengewalt aufzulösen, und bei diesem Vorgehen wurden über 80 Menschen getötet und viele mehr verletzt. Durch diese tragischen Ereignisse stieg das gegenseitige Misstrauen immer stärker an und die Heimwehr sowie der Republikanische Schutzbund hatten einen hohen Zustrom an Mitgliedern.
Ab 1930 wurden auch verschiedene faschistische Gruppierungen in Österreich immer mächtiger, angetrieben von der Entwicklung in anderen europäischen Staaten und der andauernden Wirtschaftskrise. Im März 1933 benutzte der christlich-soziale Bundeskanzler Engelbert Dollfuß den Rücktritt der drei Parlamentspräsidenten, um das Parlament aufzulösen. Einen weiteren Zusammentritt der Nationalversammlung verhinderte die Polizei. In weiterer Folge wurden durch die Zensur der österreichischen Zeitungen, die Ausschaltung des Verfassungsgerichtshofes, die Begründung der Vaterländischen Front als Zusammenschluss der Christlich-Sozialen mit der Heimwehr und anderen Wehrverbänden und durch die Auflösung des Republikanischen Schutzbundes, der Kommunistischen Partei sowie der NSDAP die Grundlagen für den Austrofaschismus und den autoritären Ständestaat nach italienischem Vorbild geschaffen.
Quellen:
Dusek/Pelinka/Weinzierl (1981): Zeitgeschichte im Aufriß
Franzmair et al. (2001): Zeitzeichen