Um dem äußerst umfangreichen Thema der Literatur - in und aus Österreich - einen Rahmen zu geben, wird der Einstieg hier vorab mit der Nachkriegsliteratur beginnen.
Österreichische Literatur nach 1945
Die literarische Szene Österreichs unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war besonders interessant. Es arbeiteten Autoren verschiedener Generationen und unterschiedlicher Vergangenheit mit- bzw. nebeneinander.
Erwähnenswerte Beispiele sind etwa Heimitto von Doderer und Karl Heinrich Waggerl – beide hatten sich während des Krieges dem Hitler-Regime angepasst –, Hans Weigel und Friedrich Torberg – aus der Emigration zurückkommende Dichter – und auch Ilse Aichinger, Paul Celan und Ingeborg Bachmann, alles junge, gesellschaftskritische Autoren. Torberg, Weigel und Hilde Spiel wurden zu Mentoren vieler junger Nachkriegsautoren.
In den folgenden Jahren bildete sich eine Polarisierung heraus, die zwischen traditionell-restaurativen Tendenzen und einer Erneuerung und Öffnung der Literatur stand. Internationale Bekanntheit erreichten Ilse Aichinger, Ingeborg Bachmann und Paul Celan als sie bei der Jahrestagung der Gruppe 47 1952 lasen.
Österreich - Tradition in der Erzählprosa
Die Nachkriegsjahre stehen auch literarisch im Zeichen einer gesellschaftlich-politischen Harmonisierung und einer traditionellen Österreichbesinnung, die auch vom Staat unterstützt wurde. Das Ziel der Literaturzeitschrift Wort in der Zeit, die ab 1955 in Wien erschien, war es, die historische Kontinuität der österreichischen Literatur seit den Tagen der Monarchie zu belegen. Viele der, zu dieser Zeit erscheinenden, Romane unterstützten die herrschende Meinung, die Literatur könne nahtlos an die von 1938 anknüpfen.
Wichtige Vertreter:
- Heimitto von Doderer: Die erleuchteten Fenster, Die Strudlhofstiege, Die Dämonen
- Albert Paris Gütersloh: Sonne und Mond
- Fritz von Hermanovsky-Orlando: Der Gaulschreck im Rosennetz, Maskenspiel der Genien
- George Saiko: Auf dem Floß, Der Mann im Schilf
- Albert Drach: Protokoll gegen Zwetschkenbaum
- Franz Tumler: Ein Schloss in Österreich
- Gerhard Fritsch: Moos auf den Steinen, Fasching
Die „Wiener Gruppe“
Ab den frühen 1950er Jahren war die „Wiener Gruppe“ im literarischen Untergrund tätig. Sie war eine Vereinigung Wiener Autoren, zu der auch Hans Carl Artmann (Gedichtband med ana schwoazn dintn), Gerhard Rühm, Friedrich Achleitner, Konrad Bayer und Oswald Wiener gehörten.
Erst am 20. Juni 1957 hielt die Gruppe ihre erste öffentliche Gemeinschaftslesung ab. In loser Verbindung zu ihr standen auch Friederike Mayröcker und Ernst Jandl.
Die literarischen Wurzeln der Gruppe lagen in der Barockdichtung, den Traditionen des Wiener Volkstheaters, des Expressionismus, Dadaismus, Surrealismus, Sprachskepsis (Hugo von Hofmannsthal), Sprachkritik (Karl Kraus).
Literarische Ausdrucksformen: Dialektgedichte, Lautgedichte, Textmontagen, Wortspielereien, Auflösung der Grenzen zwischen den literarischen Gattungen, Happenings.
Das österreichische Drama nach 1945
Noch lange bis in die 1960er Jahre hinein stand das Drama und das allgemeine Theaterleben im Zeichen der Tradition. Es wurde wenig provoziert oder experimentiert, man besann sich viel mehr auf die Bewahrung religiös-ethischer und konservativer Werte, die in der Zeit des Nazi-Regimes unterdrückt worden waren. Fokus lag dabei auf der Inszenierung österreichischer Theatertradition seit dem Barock, wie etwa Nestroy, Raimund, Grillparzer und Anzengruber.
Erst Mitte der 1960er wurden auch Exilheimkehrer wie Franz Theodor Csokor, Ferdinand Bruckner, Fritz Hochwälder (Das heilige Experiment, Der Himbeerpflücker) aufgeführt. Autoren dieser Generation, wie etwa Helmut Qualtinger (Der Herr Karl) oder Herwig Seeböck (Häfenelegie, Selbstmord leicht gemacht) versuchten, die unmittelbare österreichische Vergangenheit aufzuarbeiten bzw. einen kritischen Blick auf die österreichische Gegenwart zu werfen.
Zerstörung der ländlichen Idylle
Im 19. Jahrhundert entstand der traditionelle Heimatroman - er idealisierte die "Heimat", sentimental und emotional verklärt. Das Leben auf dem Land wurde als heil und harmonisch dargestellt. Beispiele dafür wären die Romane und Erzählungen Peter Rosseggers und das Werk von Karl Heinrich Waggerl (Brot, Jahr des Herrn und die autobiografische Erzählung Fröhliche Armut).
Auch das änderte sich mit den 1960er Jahren: Der Heimatbegriff und auch der Heimatroman wurden problematisiert. Beispiele sind:
- Fasching von Gerhard Fritsch;
- Die Wolfshaut von Hans Lebert;
- das frühe Prosawerk Thomas Bernhards Frost, Verstörung, Kalkwerk;
- Geometrischer Heimatroman von Gert F. Jonke;
- Aus dem Leben Hödlmosers. Steirischer Roman mit Regie von Reinhard P. Gruber und
- die autobiografischen Romane Schöne Tage und Schattseite von Franz Innerhofer
Die „Grazer Gruppe“
Unter diesem Sammelbegriff wurden die wichtigsten Vertreter österreichischer Literatur zusammengefasst, die in den 1940er Jahren geboren wurden. Daher war die "Grazer Gruppe" eine eher lose Verbindung von Dichtern, die gegen das literarisch und kulturell rückständige Klima in Graz ankämpften und provozierten.
Eine zentrale Figur stellte Alfred Kolleritsch dar. Er war Herausgeber der Literaturzeitschrift manuskripte. Darin traten neben den Dichtern der „Wiener Gruppe“ die Autoren der „Grazer Gruppe“ an die literarische Öffentlichkeit: u. a. Wolfgang Bauer, Barbara Frischmuth, Reinhard P. Gruber, Peter Handke, Elfriede Jelinek, Gert F. Jonke, Gerhard Roth.
Mit der Grazer Gruppe in Verbindung standen auch Vertreter eines parteilichen Realismus im Sinne Bertolt Brechts: Josef Haslinger, Gustav Ernst, Christian Wallner, Helmut Zenker, Harald Sommer, Gernot Wolfgruber, Michael Scharang und Peter Turrini.
Die 70er und 80er Jahre – Ausgewählte Beispiele
- Thomas Bernhard: Gegenstand seiner frühen Prosawerke waren die äußerliche und innerliche Absonderung und Entfremdung des Einzelnen von der bürgerlichen Gesellschaft. Während der 1970er Jahre widmete sich Bernhard seiner eigenen Biographie in fünf Bänden: Die Ursache. Eine Andeutung, Der Keller. Eine Entziehung, Der Atem. Eine Entscheidung, Die Kälte. Eine Isolation, Ein Kind. Im darauffolgenden Jahrzehnt dominierten Theaterstücke Bernhards Werk, besonders erwähnenswert sind hier das provozierende Stück Heldenplatz, sowie Ein Fest für Boris, Der Ignorant und der Wahnsinnige, Die Jagdgesellschaft, Die Macht der Gewohnheit, Minetti, Der Theatermacher, und Elisabeth II.
- Franz Innerhofer und Gernot Wolfgruber schrieben „sozialkritische Autobiografien“. In seiner Trilogie schrieb Innerhofer über den sozialen Aufstieg des Franz Holl vom sprachlosen „Leibeigenen“ auf dem Bauernhof seines Vaters zum Germanistik-Studenten in der Stadt Salzburg: Schöne Tage, Schattseite, Die großen Wörter. Auch Wolfgruber verarbeitete, wie Innerhofer, eigene Erfahrungen in seinen Romanen Auf freiem Fuß, Herrenjahre, Niemandsland und Verlauf eines Sommers.
- Peter Handke führte die, in den frühen 1970er Jahren, neue Innerlichkeit (fortlaufend und subjektbezogen) ein. Beispiele dafür sind Die Angst des Tormanns beim Elfmeter und Wunschloses Unglück.
- Der Oberösterreicher Erich Hackl konnte mit Auroras Anlass, Abschied von Sidonie und Sara und Simon große Erfolge bei Kritik und Publikum erzielen.
- Wichtige Neuerscheinungen in den 80er Jahren waren noch Einer von Norbert Gstrein und die Romane von Christoph Ransmayr: Die Schrecken des Eises und der Finsternis und Die letzte Welt.
Andere wichtige österreichische Autoren der späten 70er und 80er Jahre waren:
- Erich Fried (Gedanken in und an Deutschland, Liebesgedichte);
- Waltraut Anna Mitgutsch (Die Züchtigung, Das andere Gesicht);
- Felix Mitterer (Kein schöner Land, Die Kinder des Teufels, Sibirien);
- Peter Rosei (Die Wolken, Der Aufstand);
- Julian Schutting (Hundegeschichte, Traumreden);
- Brigitte Schwaiger (Der Himmel ist süß, Schönes Licht)
Die 90er Jahre – Ausschnitte neuerer österreichischer Dichtung
Stichworte:
- keine einheitliche Richtung,
- keine Tendenzen besonderer Art;
- „neue Innerlichkeit“, vor allem in der Lyrik;
- Neorealismus in Roman und Erzählung;
- Pluralismus auch in der Literatur, der dem allgemeinen politisch-gesellschaftlichen Trend entspricht.
Neuere österreichischer Dramatik – Ein Überblick
Der Tod Thomas Bernhards 1989 markierte das Ende eines bedeutenden Abschnitts österreichischer Theatergeschichte. Er lieferte mit zwanzig Bühnenwerken ein umfangreiches Gesamtwerk. Dabei variierten seine Grundthemen vom aussichtslosen Kampf gegen Krankheit, Verfall und Tod, über die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Österreichs, die Machtrituale zwischen voneinander abhängigen Menschen, das Streben des Künstlers nach Perfektion in einer kunst- und kulturfeindlichen Welt zu seiner Kritik an der österreichischen Politik und am Kulturbetrieb in diesem Land.
Nach Bernhards Ableben befasste sich das Wiener Burgtheater nun mit den Stücken von Peter Turrini. Sie wurden unter der Regie von Claus Peymann uraufgeführt (Tod und Teufel, 1990; Alpenglühen, 1993; Die Schlacht um Wien, 1995).
Marlene Streeruwitz, eine überzeugte Feministin, verstand ihre antipsychologischen Theatertexte als Kampfansage an die klassische Dramatik. Ihre Signatur war, dass die Handlung ihrer Dramen immer an öffentlichen Orten spielt, wo die Autorin die alltägliche Gewalt in Szene setzte: Waikiki Beach, 1992; Sloane Square, 1992; New York. New York., 1993; Elysian Park., 1993; Ocean Drive., 1993; Brahmsplatz., 1995.
Eine international anerkannte Autorin war Elfriede Jelinek. Sie schrieb gezielt gegen den Kanon der traditionellen Theaterästhetik und versuchte durch Dekonstruktion von Sinnzusammenhängen und durch Verfremdung der dramatischen Form (z. B. Montagetechnik) auf die Unterdrückung der Menschen – die Hauptopfer seien die Frauen – im Rahmen der modernen Konsum- und Mediengesellschaft hinzuweisen.
Clara S., eine musikalische Tragödie, in der Jelinek die Stellung der Künstlerin in der bürgerlichen Gesellschaft thematisierte, Burgtheater, eine Posse mit Gesang, die in den Jahren 1941 bis 1945 spielt und sich mit der faschistischen Anfälligkeit prominenter österreichischer Schauspieler auseinandersetzt, oder Wolken. Heim, eine Textkollage, die ebenfalls Jelineks Engagement gegen Faschismus, politischen Opportunismus und „Vergesslichkeit“ in Bezug auf die faschistische Vergangenheit Österreichs unterstreicht. Mit Raststätte oder Sie machens alle, Stecken, Stab und Stangel – Eine Handarbeit (1996) und Ein Sportstück (1998) festigte Elfriede Jelinek in den neunziger Jahren ihren Ruf als bedeutende deutschsprachige Schriftstellerin der Gegenwart. 2004 erhielt Jelinek den Nobelpreis in Literatur.
Ein weiterer Provokateur war der Grazer Werner Schwab. Mit den Uraufführungen seiner beiden ersten „Fäkaliendramen“ Die Präsidentinnen und Volksvernichtung oder Meine Leber ist sinnlos wurde er der Shooting-Star des deutschsprachigen Theaters der Saison 1991/92. Bis zu seinem Tod produzierte Schwab 18 Stücke darunter Der reizende Reigen nach dem Reigen des reizenden Herrn Arthur Schnitzler, von denen die Hälfte erst nach seinem Tod aufgeführt wurden.
Neuere österreichische Prosa – Romane nach 1995
1995 erschienen
- Morbus Kitahara von Christoph Ransmayr,
- Sara und Simon von Erich Hackl,
- Opernball von Josef Haslinger,
- Der See von Gerhard Roth,
- Schubumkehr von Robert Menasse,
- Telemach von Michael Köhlmeier,
- Die Kinder der Toten von Elfriede Jelinek,
- Der Kommerzialrat von Norbert Gstrein,
1996
- Verführungen von Marlene Streeruwitz,
1997
- In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus von Peter Handke,
- Kalypso von Michael Köhlmeier,
1998
- Das Jüngste Gericht des Michelangelo Spatz von Michael Scharang,
- Die Luftgängerin von Robert Schneider,
- Der Plan von Gerhard Roth,
- Vermutungen über die Liebe in einem fremden Haus von Ulrike Längle,
1999
- Die englischen Jahre von Norbert Gstrein,
- Nachwelt von Marlene Streeruwitz und
- Entwurf einer Liebe auf den ersten Blick von Erich Hackl
Quelle: http://www.veritas.at/online-material/40254?bgId=7090&fachId=7098